MSB brainstorming

13 November 2006

Ursula Badrutt Schoch: H.R. Fricker im Schaukasten Herisau



Eröffnung 28. November 2006, ab 18.30 Uhr
Risotto & Wein im Alten Zeughaus

Schaukasten Herisau, Poststrasse 10, 9100 Herisau

H.R. Fricker, Steinerweichen

Die Post vermietet in der ganzen Schweiz an prominenter Lage Schaukästen für Werbezwecke. Ein Schaukasten in Herisau AR wird auf Initiative einer Gruppe Kulturleute zum kleinen Ort für Kultur - begrenzt in den Ausmassen, grenzenlos in den Möglichkeiten. Viermal jährlich wechseln die Ausstellungen. Die Eröffnungen sind als Anlässe zum Treffen gestaltet, wo Gespräche stattfinden, wo gegessen, getrunken werden kann, wo Austausch stattfindet, wo Vorübergehende hängen bleiben, wo die Wirksamkeit des Werbekastens als Kunst im Leben erfahren wird.



Zum Steinerweichen: Ein bizarres helvetisches Triumphirat an einer appenzellischen
Landstrasse ...



Wer eignet sich als erster Künstler im Schaukasten vor der Post besser als H.R. Fricker, der seit den späten 70er-Jahren Mail-Art als sein hauptsächliches Arbeitsinstrument nutzt, um zu vernetzen, Menschen zum Senden zu bringen, damit sie geortet werden, um das Feld der Kunst auszuweiten, aufzuweichen.

Für den Schaukasten Herisau ist Fricker einem neuen Projekt auf der Spur. Er funktioniert die Vitrine kurzerhand um und nutzt sie als Plattform zum Aufruf, Steine zu erweichen. Nicht mit harten Mitteln, auch nicht mit Weinen vor Wut, sondern im Spiel. Die Frage, ob das Kunst sei, erübrigt sich, erweicht.
H.R. Fricker macht einfach den Anfang. Den Anfang einer Strassenaktion, einer Spielwerksatt, einer Bildersammelstellen, den Anfang von «Steinerweichen». Gesucht sind Fotografien, die dem aufkommenden Brauch nachgehen, mit kleinen Spielfiguren die sich allerorts ausbreitenden Stützmauern an Strassenböschungen zu bespielen, zu besetzen. Das Strassenstück zwischen Trogen und Hüttschwende benötigte früher viel menschliche Pflege. Es wurde immer wieder überflutet. Jetzt wird die Böschung verbaut, die Pflegestelle wegrationalisiert, mehr Sicherheit versprochen. Die Mauer tut wie Natur, wie anstehendes Gestein bei Moränen, sie ist aber hoch künstlich, eine Illusion, Kulisse. Aus solchen Beobachtungen ist das Projekt «Steinerweichen» gewachsen.




Der moderne Alpaufzug an einer Landstrasse im Appenzeller Mittelland angeführt von
einem amerikanischen GI ...


Wie Gedenkstätten entstehen allerorts kleine Inszenierungen wie zum Beispiel diese: Als wären es die drei Eidgenossen stehen sie vor der steinernen Kulisse, der Globi, der Pingu und der Micky, die Hand zum Schwur erhoben. Oder parlieren sie politisch? Der Amerikaner scheint als Aussenberater auf die beiden Schweizer einzureden. Der kleine Globi ist als Zorro verkleidet. Verteidigt er sein Land gegen die Amerikanisierung?


So wie Fricker in den 70er- und 80er-Jahren mit Kleinplakaten in anonymen Aktionen nächtens öffentlich Stellung bezog gegenüber politischen Ereignissen, der Apartheidpolitik in Südafrika oder dem Fichenstaat Schweiz, nehmen jetzt Spielfiguren aus der Kinderkramschachtel Platz in der Landschaft. Es ist eine Möglichkeit, mit einfachen, alltäglichen Mitteln, die Kunst und Spiel gleichzeitig sind, den Lebensraum zurückzuerobern, situationistisch zu denken, Handlungsfähigkeit zu erlangen.

Was das bizarre helvetische Triumphirat an der Landstrasse von Trogen nach Altstätten in Szene setzte, könnte bald in allen Kantonsteilen zu beobachten sein. Schon hört man von einer hässlichen Strassenverbauung im Innerrhodischen, auf die es eine ganze Horde von Schlümpfen abgesehen habe ...

Ursula Badrutt Schoch


Weitere Informationen
Alpsteinmusem
Museum für Lebensgeschichten
Fricker, Schaukasten Herisau

1 comment:

Anonymous said...

Da gab es in den 80iger Jahren schon einen Schaukasten beim Spisertor in St.Gallen. Mancher wünschte sich schon
damals mehr Kunstpräsenz im öffentlichen Raum, auch als Gegengewicht zur optisch-
mentalen Umweltverschmutzung, die als
Werbeflut allenorts den Raum attackiert.
Wenn man sich mit kleinen bescheidenen Orten heute zufrieden gibt, dann versickert das Bewusstein über die Verhältnismässigkeit, gern im Aufbau von inhaltlicher Attraktivität. Das ist aber eine falsche Zufriedenheit, die dem Umfang künstlerischer Leistungen nie gerecht werden kann. Der Mangel künstlerischer Präsenz im öffentlichen Raum, also die Abwesenheit von freier
Kultur, darf nicht in Gunsten der freien Marktwirtschaft versickern...

www.küenstlerarchiv.ch/herbertkopainig