Der Kantonsrat des Kantons SG streicht einen Lotteriefondsbeitrag von 300 000 Franken für das Projekt "Pepperminta" von Pipilotti Rist. Das Ergebnis fiel knapp aus, doch das Argument der SVP, dass arrivierte KünstlerInnen nicht auch noch einer Förderung aus dem Lotteriefonds bedürfen, gab wohl den Ausschlag.
Mich dünkt es sehr eigenartig, dass ein solch fadenscheiniges Argument die Begründung für eine Ablehnung sein kann, vor allem, da laut Tagblatt wohlweisslich vermieden wurde, über die Qualität der Arbeit von Pipilotti Rist zu diskutieren. Auch aus Marcel Elsners hämischem Kommentar im Tagblatt spricht eher kleinstädtischer Neid denn verständige Kunstkritik.
Verstehen Sie mich richtig, es geht mir nicht darum zu behaupten, dass Pipilotti Rist unbedingt diese 300 000 Franken erhalten muss, sondern den schäbigen Umgang mit der Künstlerin zu kritisieren. Es ist schwer genug sich als KünstlerIn zu etablieren und noch schwerer sich auch international zu positionieren. Dies aber als Ausschlusskriterium zu benutzen, erscheint mir eigenartig: Stellen Sie sich doch mal vor, Sie müssten mit einem internationalen Wirtschaftsunternehmen verhandeln, dass sich in SG ansiedeln möchte und nach den Verhandlungen geben Sie die Botschaft aus: Wir werden die Ansiedlung nicht durch Steuervorteile oder Subventionen unterstützen, sondern stecken das Geld lieber in innovative Ostschweizer Jungunternehmer.
Oder: Sie streichen dem FC St Gallen jegliche Fördergelder, wenn dieser in der Championsleague mitspielt?
Perfekt argumentiert, finden Sie nicht?
Diese ehrgeizige Feststellung des Kantonsrat, lieber junge Künstler zu fördern, müsste sofort eingefordert werden: Wo sind die 300 000 Franken für die jungen Künstler und deren Förderung und ab wann können sich junge Künstler dafür bewerben? Wir möchten Taten sehen meine Herren! Ein SVP Preis für junge innovative Kunst? Das könnte ein reizvoller Gedanke sein. Nur bezahlen Sie den Preis bitte aus der Parteikasse und überlassen den Umgang mit Kulturgeldern lieber den Profis...
Die fadenscheinige Begründung der Ablehnung zeigt vielmehr, wie sehr sich die öffentliche Meinung darum drückt über zeitgenössische Kunst zu diskutieren, denn das Werk von Frau Rist wollte man auf keinen Fall angreifen. Vielleicht würde aber genau das dazu führen, dass ein Reifeprozess mit Lerneffekt einsetzen könnte. Öffentlich proklamierte Stammtischmeinungen führen zwar sofort zu einem Aufschrei, letztendlich aber können sie einen Lernprozess auf beiden Seiten erreichen und Versäumnisse der letzten Jahre aufzeigen. Die Ignoranz konservativer Kräfte gegenüber zeitgenössischer Kunst scheinen mir spätestens seit der Hirschhorndebatte mit der Angst verbunden zu sein, etwas Falsches zu sagen und sich eventuell auch international zu disqualifizieren. Die Künstler auf der anderen Seite vernachlässigen seit Jahren die Vermittlungsarbeit und Kunstkritik im klassischen Sinne findet kaum noch statt.
Es gibt kaum Dialog und angestrebt wird er auch nicht.
Es bleibt noch die Frage: Ist das Geld überhaupt vorhanden?
Das Amt für Kultur des Kantons SG hat einige ehrgeizige Projekte auf kulturellem Gebiet angerissen und Diskussionen in Gang gesetzt, die, sollte die Ausführung konsequent gelingen, einen Nährboden für kulturelle Entwicklungen sein könnten. Künstler aller Sparten sind wie Zugvögel und siedeln sich an Orten an, an denen es genug Nahrung gibt. Bleibt ein solches Angebot stabil kommen sie immer wieder zurück und tragen mit ihrem persönlichen Renommé auch zum Ruhme eines Ortes bei. Es muss nicht immer New York, London oder Zürich sein; das haben Kassel, Wuppertal und Münster vorgemacht. Das Kulturdepartement des Kantons SG hat das begriffen und einiges in Bewegung gebracht um eine nachhaltige Entwicklung kultureller Angebote und Identitäten anzustreben. Öffentliche Förderung ausschliesslich an kreatives Jungvolk zu vergeben und arrivierten Künstlern Förderungen vorzuenthalten, widerspricht dem Auftrag der Kulturförderung. Die Fördergelder aus dem Lotteriefonds müssen auch einem öffentlichen Interesse entsprechend vergeben werden und mit dieser Formel ist persönlichen Vorstellungen von "öffentlichem Interesse" Tor und Tür geöffnet. Insgesamt wurde über Vergaben von etwa 6 1/2 Millionen Franken entschieden, die aus den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales, Natur und Umwelt und Kultur zusammenkommen. Auch wenn das Gesuch um 300 000 Franken auf den ersten Blick exorbitant erscheint, ist es in der Gesamtrechnung ein relativ kleiner Posten. Die Fortsetzung des Musicals "Heidi" zum Beispiel ist im Gesamtbetrag ebenfalls mit 300 000 Franken veranschlagt. Auch bei einem solchen Projekt wäre das öffentliche Interesse fragwürdig, nur liegt ein Musical, das auf einem Kinderbuch einer drittklassigen Schiftstellerin aus dem 19. Jh. basiert, den Kulturvorstellungen konservativer Parteien näher. Ob das Geld vorhanden ist oder nicht, ist also nicht der springende Punkt, somit gibt es genau betrachtet keine begründeten Einwände gegen eine Förderung eines Projektes von Frau Rist.
Wenn für einen solchen Betrag Kürzungen bei anderen Beiträgen gemacht hätten werden müssen, hätte immer noch demokratisch argumentiert werden können: Pipilotti Rist hätte ein der Förderung anderer Künstler vergleichbarer Beitrag zugesprochen werden können, mit dem Hinweis, dass so einerseits ihre Arbeit anerkannt wird, andererseits aber nicht zu ihren Gunsten das Angebot für den Nachwuchs beschnitten worden wäre. So hätte man zumindest guten Willen gezeigt. Da die Eingabe von Frau Rist zur Vorlage beim Kantonsrat vom Amt für Kultur vorbereitet wurde, die Finanzkommission des Kantonsrats darüber beraten und Empfehlungen vorgegeben hat und ich davon ausgehe, dass alle diese Argumente mitbedacht worden sind, müssten sich für eine begründete Ablehnung des Gesuchs Formfehler eingeschlichen haben.
Und: Der Kanton SG steht nicht allein mit einem Gesuch um einen Förderungsbeitrag: die Zürcher Filmstiftung und der Bund stehen neben der Fondazione Prada auf der Fördererliste, zu denen sich noch SRG und einige private Förderer gesellen wollen.
Was lehrt uns das Beispiel? In Zeiten, in denen öffentlich über eine Auflösung der Pro Helvetia und die Übertragung ihrer Aufgaben an die Städte und Kantone diskutiert wird, muss eine solche Entscheidung einen Ausruf der Empörung aller kulturellen Institutionen hervorrufen. Wenn ein kulturelles Projekt, das von mehreren Stellen, die sich professionell mit Schweizer Kultur auseinandersetzen, für qualitativ gut befunden wurde, an politischen Kleingeistern scheitert, die sich nie wirklich mit aktuellen Strömungen in Kunst und Kultur auseinandergesetzt haben, dann sind willkürlichen Entscheidnungen Tür und Tor geöffnet, die nicht von sachbezogenen Einwänden getragen sind. Da fühlt man sich in eine feudale Zeit zurückversetzt, in der der machthabende Fürst nach Gutdünken Entscheidungen trifft, mit dem kleinen Unterschied, dass aus einem Fürst eine Ansammlung von rechtschaffenen politischen Rechthabern geworden ist, die sich noch nicht einmal trauen, sich durch Äusserung ihrer Meinung angreifbar zu machen. Im SG Kantonsrat kann man bereits erkennen, in welche Richtung sich die Zukunft weisen könnte...
1 comment:
Lieber Alex
Pippilotti und Heidi,das find ich nun wirklich witzig.( Lassen wir mal das mit der Subvention, reden wir von Inhalten.)
Die drittklassige Johanna Spiry schreibt ein erstklassiges Buch. (Analog: der drittklassige Zeichner Cézanne malt erstklassige Bilder.)
Aus dem Frauenzimmer erreicht mich immer wieder dieselbe Meinung über das Heidi: Ein Mädchenbuch mit einem für seine Zeit äusserst klug
getarnten, fortschrittlichen Mädchenbild (Identifikation).
Die reaktionäre Neuverfilmung rlativiert dieses Bild allerdings:
die Idee der Einführung des Computers soll zwar Aktualität suggerieren, aber mit dem PC schleicht sich die klssische Männerüberlegenheitslüge ins Spiel. Oh,das Neue entpuppt sich als das Alte.......
Pippiheidi aus Buchs schlug scharmant Autoscheiben mit Rosen ein, ein hilfloses Hippiemuster sozusagen. Fröhliche Anarchie aus dem Haus "Ironie als Beschönigung von Machtverhältnissen". Oder wie wird man sonst so berühmt?
Die Strasseninstallation in St.Gallen gehört ja auch dazu: Pippilotti legt der städtischen Videoüberwachung im öffentlichen Raum den roten Teppich.
(Zweckmittelheiligung dieser Dekoration)
"La grande place rouge, noire des têtes et verte de peur!"
Einer sagte: es lohnt sich immer mal wieder die Machtfrage zu stellen, bevor man Dumme und Kluge trennt. Gruss Daniel
Ps:Einen roten Teppich lege ich allerdings dem Organisator dieses blogs, dem Mark mein ich!
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