MSB brainstorming

07 February 2007

Max: Heimspiel 06 in St Gallen: 1:2 für das Kunstmuseum




Heimspiel 06 - Ostschweizer Kunstschaffen - das ist der Titel, der alle Kunstschaffenden in den Ostschweizer Kantonen und Vorarlberg zum schwitzen bringen soll: Alles stehen und liegen lassen, sich endlich mal wieder mit der Konkurrenz messen und vielleicht ein kleines Stück vom Glück, ein bisschen Glanz vom Kranz abbekommen und das eigene Werk ins Museum stellen können - so würden es die Veranstalter gerne sehen. Doch was erwartet uns in den heiligen Hallen?


Die Liste der Künstler versprach Bekanntes ohne grosses Risiko. Beim Betreten des Kunstmuseums fielen mir als erstes die kulinarischen Freuden des üppigen Buffets in die Augen und beinahe war ich versucht mich daran zu laben, statt mich der Kunst hinzugeben. Trotzdem stieg ich die Treppe hinauf, die Gunst der Stunde nutzend und den Wortschwall im muffigen Keller meidend, nur Wenige taten es gleich um sich die Arbeiten in Ruhe anzusehen.
Jedoch, was geboten wurde war enttäuschend.

Und es ist nicht die Kunst, die enttäuscht. Der waltende kuratorische Overdrive hat alle Positionen, die im Museum vorgestellt werden glattgebügelt und auf Einheit getrimmt. Die einzelnen Arbeiten können sich nicht mehr behaupten und gehen unter im immer gleichen langweiligen Mittelmass, das als Präsentationsstandard vorherrscht. Alles ist sauberst gerahmt, hübschest arrangiert und artigst vermusealisiert. Die Kunst wird kuratorisch enthauptet, für die Ausstellung hygienisch verwurstet und wie beim Metzger um die Ecke fein häppchenweise arrangiert - grad so, dass sich eine schöne Museumsführung arrangieren lässt.
Das ist nicht nur gähnend langweilig, sondern tut auch den einzelnen Positionen nicht gut, die im allgemeinen Wurstsalat untergehen. Eine kleine zerstückelte Version des "kleinsten Gipfeltreffens der Welt" der Gebrüder Riklin ist unschön in eine Ecke gedrängt und im grossen Saal, der zu einem abgedunkelten Riesenkabinett umgewandelt ist, stehen ein paar Videoinstallationen herum wie gelangweilte Fische im Aquarium.
Alexandra Maurers Arbeit habe ich eine Weile gesucht und fand sie auf einem Fernsehbildschirm vertreten, neben anderen: Goldfischglas an Goldfischglas - ohne Sauerstoff zum Atmen.
Arno Oehris Arbeit wirkt wie ein Plakat für Alex Hanimanns Videokabine und die äusserst seltsam und unmotiviert platzierten Schildchen tragen das ihrige zur Verwirrung bei.
Schade eigentlich. Es bleibt nichts wirklich im Gedächtnis, denn alles perlt ab von der aseptischen Oberfläche des übereifrigen Arrangements.

Dass es auch anders geht zeigt die Kunsthalle. Dort ist alles nach dem Kuddelmuddelprinzip drüber und drunter arrangiert und vor allem der Sound der einzelnen Installationen vermischt sich zu einem schier unerträglichen Lärm, der es schwierig macht die Töne ihren Quellen zuzuordnen. Doch hat die etwas dilletantische kuratorische Vorgehensweise einen grossen Vorteil: Man beginnt genauer zu schauen, zu untersuchen und muss etwas Mühe aufwenden beim Betrachten. Die Werke beginnen miteinander zu kämpfen und müssen sich gegeneinander behaupten. So lassen sich Entdeckungen machen, die den Arbeiten ihren Eigenwert wieder geben: Hier darf der Betrachter selber entscheiden, wofür er sich interessieren möchte!
André Bless' Wassertropfen geht fast unter im Getöse und überrascht, wenn man ihn entdeckt.
"The Big One" von Com+Com streitet sich im offenen Farbabtausch mit Peter Stoffel und Walter Burgers kleine Scheunen stehen in der Ecke wie ein vorlauter Schüler aus der 2.Klasse.
Eva Kindlimanns bezaubernde kleine Arbeiten sind mit zwei Museumsbuchvitrinen so lausig im Raum platziert, dass sie den Betrachter ganz für sich einnehmen können, ebenso Aurelio Kopainigs Installation, die dadurch ihren Versuchscharakter nur noch verstärkt.

Kunst kann für sich selber stehen, das scheint mir das Fazit des Abends zu sein und Kunstwerken wirklich die Chance zu geben, sich frei entfalten zu können, sollte eigentlich die Vorgabe für jede Ausstellung sein.
Warum will ich denn sonst Kunst ausstellen, wenn ich ihrer Wirkung nicht vertraue?

Die Jury hat den Kuratoren eine schwierige Auswahl präsentiert, denn auch diese Schau ist sehr videohaltig. Dass dies nicht unbedingt besucherfreundlich ist, hat man im grossen Rahmen 2002 an der Documenta in Kassel erleben können. Ob diese Vorgabe inzwischen auch ausschlaggebend für die Zusammenstellung einer Ausstellung wie das Heimspiel war (ein bisschen Documenta endlich auch in allen Provinzen) oder ob die Kasseler Schau die Künstler überall in der Wahl ihrer Techniken beeinflusst, sei dahingestellt.

Ein wenig abseits im Projektraum exex präsentiert sich Alexander Hahn. Er passte wohl nicht ganz in das kuratorische Konzept der anderen beiden Institutionen. Ausserdem bietet das exex wieder einen Einblick in die Sammlung aller eingegebenen Portfolios: Dort kann man in Ruhe im Archiv des Ostschweizer Kunstschaffens kramen und Entdeckungen machen - vielleicht sogar die interessanteren.

Urs Küenzi bietet im Projektraum exex auch einen Crash-Kurs zur Erstellung einer perfekten Künstlerdokumentation an. Vielleicht wäre ein Crash-Kurs für Kuratoren auch noch eine gute Idee gewesen. (max)

Post Scriptum:
Was das Heimspiel zeigt, ist, dass es auch in der Provinz sehr gute künstlerische Positionen geben kann. Das Grundproblem einer Übersichtsschau ist und bleibt immer, dass es ein Gemischtwarenladen wird, der eigentlich eine kuratorische Herausforderung sein könnte.
Warum muss die Provinz immer so tun, als ob sie auch das Grosse kann? Können wir nicht endlich auch mal dazu stehen, dass wir Provinz sind und dort auch gut leben?
Warum müssen wir uns immer an den grossen Vorbildern anlehnen und deren unsaubere Ideen kopieren?

Zusätzlich schleicht sich durch die Hintertüre das Schollenproblem: Die eigene Scholle bewirtschaften, sehr eifersüchtig über die Erfolge der anderen wachen und schauen, dass man selber nicht zu kurz kommt und dabei so tun, als ob es die Welt da draussen nicht gebe (auweia - ich hab so Angst mal den eigenen Kanton zu verlassen)...
Herrgottnochmal - die Kunst wurde vor der Ostschweiz erfunden und es wird sie auch noch geben, wenn der Säntis längst platt ist und im Meer versunken sein wird. Und ich bin es leid dauernd schlechte Kopien von Künstlern zu sehen, die international bekannt sind, während man so tut, als würden diese nicht existieren.(So das musste auch mal sein).

Die ganzen politischen Probleme die bei dieser Diskussion mitschwingen, wie zum Beispiel, welcher Kanton mit wievielen Künstlern vertreten ist, welcher Kanton wieviel Geld zu diesem Spektakel zusteuert und wie die eigenen Künstler gefördert werden, das ist eine Diskussion, die ich aussen vor gelassen habe. Sie muss diskutiert werden, denn spätestens an diesem Punkt wird die ganze Organisation fragwürdig - allerdings besser während der Ausstellung oder sofort danach, denn dann werden die Weichen gestellt für die nächste Show in drei Jahren.

Die Institutionen Kunstmuseum und Kunsthalle können sich durch das Heimspiel einen schönen Batzen Vorteil herausholen: übertreffen doch die Besucherzahlen dieser Ausstellung alle anderen Projekte, die sie sonst präsentieren und sie bekommen eine kostengünstige Ausstellung geliefert. Für soviel Eigennutz wäre auf alle Fälle Sorgfalt gefragt.
Die Umsetzung des Heimspiels überzeugt nicht und hat es auch vor drei Jahren nicht wirklich getan. Was herausgekommen ist, ist eine gelungene desinfizierte Wursttheke, mehr auch nicht.
In jedem Fall stellt sich die Frage, wie es besser gemacht werden könnte. Auf diese Diskussion bin ich gespannt und möchte sie gerne eröffnen.

21 comments:

schakim said...

Kunst ist in ihre Zeit eingeflochten und in den Kulturkreis verwoben, wo sie sich abspielt. Auch regionale Kunst. Je nach Begabung und Fähigkeit kann sich der Künstler ausdrücken - ein fortwährender Prozess, wenn er sein Inneres nach Aussen trägt.

Kunst kann mit wissenschaftlichen Erkenntnissen die Bevölkerung aufrütteln, Befürworter und Gegner hervorbringen; ich denke z.B. an die Körperwelten-Ausstellungen von Gunther von Hagens. Die Plastination hat weltweites Aufsehen erregt und war ebenso heftig umstritten.

In der heutigen Zeit muss Kunst provozieren, um noch als Kunst wahrgenommen zu werden. Zumeist ist das in den regionalen Ausstellungen nicht der Fall und man geht nach Hause, ohne wirklich "etwas" mitgenommen zu haben. Oder vielleicht doch?

Ja, und das mit dem "Wurstsalat" ist eine schöne Schilderung. Nicht jeder mag Wurst und nicht jeder den Salat mit der Wurst ...

Videoinstallationen sind Zeitdokumente. Episoden aus dem Leben gegriffen, die der Künstler mit seiner Sichtweise darzustellen versucht. Eine von vielen Möglichkeiten, mit animiertem Bildmaterial etwas im Betrachter auszulösen ... Niedergeschriebene Zeilen haben einen ähnlichen Effekt, evozieren aber zusätzlich noch die Fantasie beim Lesenden, dh. die Absicht, die der Schreiber verfolgt, wird viel mehr verwischt als beim Medium "Film".

Wie es besser gemacht werden könnte? Vielleicht indem Kunstschaffende mehr zusammenarbeiten, mehr Interesse an der "andern" Schaffenskunst zeigen und versuchen durch diesen Prozess zu einer neuen Form, zu einer neuen Ausdrucksweise zu gelangen, die nachhaltend Wirkung zeigt.


Schakim

max (alex Meszmer) said...

Diese Dinge nehme ich als Voraussetzungen an, ohne darüber sprechen zu müssen.
Ich bezweifle, dass Kunst 1. heute noch provozieren kann, 2. heute noch provozieren muss um wahrgenommen zu werden.

Das war die Grundidee das Dadaismus und funktionierte auch noch in den 50er/60er Jahren, aber heute ist Provokation kalter Kaffee und funkioniert wenn überhaupt nur noch auf dem Land.

Anonymous said...

Nach der Rezension von Max, befindet sich das heimliche Spiel auf dem Kunstvermittlungsplatz Ost, als Kuddelmuddel-Konzept des inszenierten Plankultur-Gewurstels, auf kuratorischem Crash-Kurs!
Demnach ist das Heimspiel als Scheinspiel also wieder nur eine weitere Alibiübung der ostschwei-zer Kulturverwaltungsinteressengemeinschaft ?
Werden die Bemühungen einer Auswahl von Kunst
schaffenden einfach zu einem Olma-Wurstsalat auf kuratorischem Niveau verarbeitet ?
Inzwischen beginnt die Kunst zu kochen !...
Vielleicht hat das Volk die Lust auf Wurstsalat und fette Lämmer bald einmal verloren !...

www.kuenstlerarchiv.ch/herbertkopainig

max (alex Meszmer) said...

Egal ob Bratwurst oder Salat. Die Diskussion findet allerdings nicht statt.
Das ist schade.

Anonymous said...

wie wir wissen, pass auf, was du denkst bzw sagst. es könnte dir schaden. tu nie etwas gefährliches. sei brav! sei ein guter bub! die CH kunstwelt ist nicht bereit für diskussion d.h. 'sein'. nur bratwurst 'schein'.

Mark Staff Brandl said...

Die Diskussion findet ganz sicher statt! Einfach, wie immer, "hinter den Kulissen". Ich habe schon mit viele Künstler-Innen darüber geredet und habe von denen gehört, dass viele Andere starke Meinungen dazu haben. Und viele, viele haben dieses Post gelesen. Aber --- wie "anonymous" scherzt, es gibt viel Angst und Unterwürfigkeit. Es braucht Zeit. We're working on it. It has begun!

Anonymous said...

Heimspiel ist Quatsch. Wenn man mit so einer Ausstellung die Ostschweiz darstellen soll, haben wir wirklich ein Problem im CHKunstland.

Mark Staff Brandl said...

Wie ich in einem Post unten geschriebn habe, rage ich immer noch:
"In unsere Schranken gewiesen worden" --- jenseits der verschleierten Beleidigung: Wie wurde eine wahre Ausstellung von Ostschweizer Kunstschaffenden aussehen?

Anonymous said...

Gegen die vom Konsensus-Vermittler anerzogene Unterwürfigkeit der Einheimischen setzen wir einen globalen Individualismus, in die Real-Kunst-Kultur hineinsenkt, ein Gedanken- und Wertesystem in dem das kunstschaffende Individuum im Mittelpunkt im Mittelpunkt der Betrachtung und der Werte steht.

Anonymous said...

kunstvermittler sind die anästhesisten des kunstbetriebs, erreichen sie doch meist nur, dass die kunst den laien mehr weh tut. viele der zu laien degradierten haben sich mittlerweile auch ganz von der kunst abgewendet: sie haben jegliches interesse verloren. die geschichte der gegenwärtigen Kunst ist also die geschichte so erfolgreicher exklusionen, dass als insider schließlich fast nur noch geblieben ist, wer auch sein geld vom staat durch kunst verdient. bemerkenswert ist jedoch, dass alle parteien, gleichermaßen ihre unzufriedenheit mit den bestehenden verhältnissen und ausstellungen wie 'heimspiel' äussern, sogar im schlimmsten fall eine verschwörung vermuten, die künstler und künstlerinnen weil sie bemerken, dass sie kaum resonanz auf das bekommen, was sie tun.

Mark Staff Brandl said...

I'm not certain if I follow what all the comments have to do with "Heinspiel," aber ich glaube, dass ein Gespräch wäre gut --- über die Provinzialität von Kuratoren -innen, nicht "nur" Künstler-innen. Ich glaube man sieht DAS im "Heimspiel".

max (alex Meszmer) said...

Das war ja auch mein Fazit, Mark. Etwas zwischen den Zeilen versteckt vielleicht: So schlecht wie sich die Kunst an vielen Ausstellungen präsentiert ist sie gar nicht...
Sie wird nur schlecht gemacht.

Das sieht man ja an diesem herzerfrischenden Dielletantismus in der Kunsthalle... Sieht aus wie ein Gerümpellager erster Klasse...
"hach, probieren wir doch mal was zufälliges..."

Gute Kunst erkennt man immer... vor allem, wenn sie an einen schlechten Kurator gerät...
:-)

schakim said...

@Max

Zitiere: "Das sieht man ja an diesem herzerfrischenden Dielletantismus in der Kunsthalle... Sieht aus wie ein Gerümpellager erster Klasse...
"hach, probieren wir doch mal was zufälliges..."

Gute Kunst erkennt man immer... vor allem, wenn sie an einen schlechten Kurator gerät...
:-)

Di Dez 26, 03:49:00 PM "

Das entlockt mir ein Schmunzeln. Kritisieren kann man immer, so eben auch "Heimspiele", aber "besser machen", das ist dann nochmals ein grösserer Schritt, der etwas anstrengend sein könnte ...

:-)
Schakim

Anonymous said...

Vielleicht geht es ja gar nicht um besser oder schlechter, sondern um Freiheit oder Bevormundung.
Ich kann verstehen, dass Kuratoren auch Kreativität
entwickeln möchten, warum aber auf Kosten der
künstlerischen Freiheit. Kunstschaffende brauchen
keine Vermittlungs-Vormundschaftsbehörden.
Nur autonome kulturelle Organe garantieren die
Eigenkreativität zur Entwicklung des Bewusstseins-
Fähigkeits-Lebens-Potenzials. Hallen, Museen sind Staatsinstrumente die von Kuratoren verwaltet werden sollen? Das funktioniert nie !

www.kuenstlerarchiv.ch/herbertkopainig

max (alex Meszmer) said...

Reden wir jetzt über die Ausstellung oder über mich?

Kein Kommentar auf dumme Kommentare!

Mark Staff Brandl said...

"Kritisieren kann man immer, so eben auch 'Heimspiele',..."

Höre ich OFT --- sehe und lese ich (in der schweiz) aber selten --- und richtig Critique ist der Anfang von Verbesserungen.

"...aber 'besser machen', das ist dann nochmals ein grösserer Schritt-,..."

Jawohl --- und ich bin sicher viel --- inkl. Ausstellungen von regionellen Künstler-innen kann besser gemacht werden. WENN man nicht immer sofort alle Kritisierung verneint.

Mit guten und offenen Gespräch --- und MUT dazu --- beginnt alles.

Anonymous said...

Ja --- gut gesagt E.W. --- es ist Bevormundung und Gängelung, was mich in allgemein in der Kunstwelt stört --- nicht nur in der Provinz.

Mark Staff Brandl said...

(Letzter Komment übersetzt, und wahrscheinlich schlecht, von MSB für The Shark).

max (alex Meszmer) said...

Schwierig wird es immer dann, wenn Kuratoren die Kunst als ihr Material betrachten, das sie verwenden um eine Ausstellung zu kreieren.
Sie hinken letzendlich einen Schritt hinter der Kunst hinterher und bemüssigen sich der Arbeit von Künstlern um das auszusagen, was sie mit eigenen Mitteln nicht fähig sind zu sagen.

Anstatt den Mut zu haben, dann einfach selber gleich Kunst zu machen, werden Künstler und ihre Arbeiten missbraucht. So was nenn ich die Kuckuck Taktik.

Mark Staff Brandl said...

"die Kuckuck Taktik" --- Genie Max! Trademark that. Ich werde sicher diese Phrase brauchen (ich verspreche dich als Autor zu benennen).

schakim said...

"Kuckuck-Taktik" --> Tatsächlich genial! Lexikalisch ausbaubar, wenn nicht schon existent ... ;-)

Vielleicht auch richtungsweisend für eine neue Form von "Ausstellungen" ...