Hier der ganze Tagblattartikel zur Heimspieldiskussion vom 24.02.07.
Endlich ist das Heimspiel vorbei und langsam werden die Diskussionen abebben. Mit einem Donnerschlag hatte Mark Staff Brandl die Diskussion um die Ausstellung und das Gebaren rundherum angeheizt, provoziert und polarisiert. Die Aufmerksamkeit war da, alle waren wach – öffentlich dazu äussern, das trauen sich nach wie vor nur Wenige. Aufmerksamkeit zu erlangen für die eigene Arbeit ist das A und O eines jeden Business. Am einfachsten geht das immer noch mit Schlagworten und für einen Augenblick gucken dann alle hin. Von Fussball habe ich so gut wie gar keine Ahnung und nachdem ich mit meiner Überschrift ihre Aufmerksamkeit erlangt habe, schreibe ich über das Einzige von dem ich wirklich etwas verstehe – über Kunst.
Manchmal hätte ich mir mehr von dieser Aufmerksamkeit gewünscht für interessante Projekte mit Künstlern z. B. aus der Romandie, die wegen ihrer hiesigen Unbekanntheit schlichtweg ignoriert wurden. Das Prädikat „aus der Region“ mag ja für landwirtschaftliche Produkte angehen, sehr verwundert hat mich allerdings, dass dies auch für Kultur gilt. Auswärtige Positionen müssen immer mal mit hiesigen gemischt werden, sonst haben sie keine Chancen – insofern ist diese Diskussion auch eine wertkonservative, die das alltägliche Verhalten einer Ostschweizer Kulturszene widerspiegelt.
Die Ostschweiz ist ein geschichtlich befrachteter Raum, der kulturell seit langem Hinterland ist. Es gibt andere Landstriche, die sich mit weniger Geschichte zufrieden zurückgezogen haben, um von den Früchten einer vergangenen Kultur zu leben. Ausser dem Postboten gibt es Tag für Tag nicht viel Bewegendes. Die Welt verblüffende Neuerungen und wahnsinnige Impulse für die Weltkunst entstehen woanders. Noch dazu, weil die Ostschweiz völlig akademielos vor sich hindümpelt und einem Künstler nicht viel anderes übrig bleibt, als anderswo sein Glück und seine Ausbildung zu suchen. Es fehlt der hiesige Künstlernachwuchs und diesem auch der Anreiz zurückzukehren. Auch wenn dieses Anderswo nur nebenan in Zürich liegt.
Früher mag die Situation anders ausgesehen haben. Die Schweiz setzte lange Zeit auf eine stark kunstgewerbliche, handwerkliche Tradition in der Kunstausbildung und man trifft noch heute auf eine sehr heterogene Künstlerschaft, die sich ihre Ausbildung selber zusammenzimmern musste. Darunter sind auch viele Künstler, die in Deutschland eindeutig durch das Sieb fallen würden. So konnte man auch, wenn man sich die Mühe machte, im Projektraum exex die eingereichten Dokumentationen zu studieren, feststellen, wo dieser Bruch durch die Künstlerschaft geht.
Die Gründung und der Aufbau von Kunstschulen, wie der HGKZ oder der F&F veränderten die Situation – eine Veränderung, die auch am Selbstverständnis der Künstler der verschiedenen Generationen sehr eindeutig zu bemerken ist: Es vollzog sich ein Paradigmenwechsel in der Schweizer Kunst, der gerade bei solchen Präsentationen wie dem Heimspiel sichtbar wird – das sind eigentlich Generationenkonflikte par excellence.
Die visarteost hat es mit dem Projektraum exex vorgemacht, wie die heutige Generation, die noch aus diesem Mischverhältnis erwachsen ist, funktioniert; in der restlichen visarte bahnt sich der Paradigmenwechsel langsam an. Die neue Generation ist pragmatischer, der grosse politische Kampf um Anerkennung ist gefochten und es geht wieder um die Sache selber, um die Kunst als Tagesgeschäft und aus Leidenschaft.
Bereits aus dieser Konstellation entstehen verdeckte Konflikte, die eben auch Kunstdiskurse sind. Während es früher scheinbar nicht notwendig war über den Gartenzaun zu schauen, was draussen in der weiten Welt vor sich ging, kann ich mir es als Künstler heutzutage kaum noch leisten zu schaffen, ohne die Entwicklungen der Kunstszene auf nationaler, internationaler und multinationaler Ebene zu rezipieren. Die Avantgardebewegung hat ein Negativbewusstsein für epigonale Kunst geschaffen und während in früheren Jahrhunderten Dorf- und Lüftelmaler überleben konnten, indem sie ein Leben lang Variationen von einem einmal gesehenen Thema malten, sehen sich Künstler heute einem stetigen Diskurs und einer dauernden Wertung ausgesetzt, die durch ein mediales Bild bestimmt sind.
Mit Projekten wie der 100-Franken-Show oder den letztjährigen Ostdiamanten hat der Projektraum exex im Kleinen die eine oder andere mögliche Variante des Heimspiels bereits durchgespielt und damit kunstpolitische Themen angegangen. Das Heimspielarchiv war auch bei dieser Triennale für mich der überzeugendste und gewinnbringendste Beitrag zur Ausstellung. Als Zugewanderter muss ich mir die Übersicht über die hiesige gewachsene Kunstszene erst erarbeiten und das funktioniert mit Arbeitsdokumentationen viel besser als mit auf Hochglanz polierten künstlerischen Einzelstücken.
Kuratoren folgen wie Künstler in ihrer Arbeit eigenen Vorlieben – und so ist auch nicht verwunderlich, dass über die Auswahl der Künstler des Heimspiels gestritten wird. Eine Jury ist immer subjektiv und eine Auswahl ist es auch – eigentlich wird schon bei der Einladung einer Jury die Ausstellung mitbestimmt. Ein Mitsprache- oder Einspruchsrecht einiger Institutionen bei einer Jurierung ist mir allerdings unbegreiflich.
Bisher haben mich die Jurierungen in der Schweiz begeistert – es wird wesentlich mehr über die Sache Kunst diskutiert als in Deutschland; dort herrscht der Vitamin B Konsens und der Umgangston ist weniger fair und weniger kollegial.
Bei der Neuordnung der künstlerischen Ausbildungen hat sich aber auch eine neue Spezies herausgebildet. Wer früher einfach nur Kunsthistoriker war, und sich nur für die historisch verbürgten Tatsachen der Kunstgeschichte bis etwa zu Beginn des Impressionismus interessierte, wurde dem Zeitgeist angepasst. Herauskam ein Homunculus aus Kulturmanagern und Kuratoren, beflissen aus einer „Kunstwelt“, einen „Kulturbetrieb“ aufzubauen. Um mit ihrem Tun auch Geld zu verdienen, besetzen diese frisch deklarierten Experten ehemaliges Künstlerterrain. Jüngere Künstler nehmen dies mit grösserer Gelassenheit hin, sind sie doch nichts anderes gewohnt. Dieser neu geschaffene Betrieb folgt viel stärker den Moden des Zeitgeistes aus dem er erwachsen ist und vorgelegten Geschmacksvorgaben.
Hier liegt vielleicht eine Krux dieses Heimspiels: Der Jury ist eine Auswahl gelungen, die vor allem durch ihre Videolastigkeit zum kuratorischen Notfall wurde – ein Problem, mit dem bereits die letzte documenta vergeblich zu kämpfen versuchte. Ob die Unsinnigkeiten grosser Ausstellungen im Kleinen unbedingt wiederholt werden müssen und wie mit der kuratorischen Herausforderung umgegangen wurde, sind meines Erachtens die fragwürdigen Spielzüge dieses Heimspiels.
Und dann: Die Sicherheit – wie Matthias Kuhn bereits bemerkte. Mir scheint, dass sich alle Nachteile einer relativen Sicherheit einer institutionalisierten Ausstellung bei der Betrachtung des letzten Heimspiels offenbaren. Um noch einmal die Fussballmetaphern zu bemühen: Gespielt wird rein auf Sicherheit und Bewahrung, nicht auf Risiko und Torchancen. Es geht um den Klassenerhalt, auch wenn es nur die Bezirksliga ist. Das Fieber ist abhanden gekommen, ebenso der Glaube an den Aufstieg. Die Mannschaft ist zusammengewürfelt und die Trainer gar nicht wirklich vorhanden. Wer wollte da noch darum streiten, nicht dabei gewesen zu sein?
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