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11 April 2008
Meszmer: Wozu denn Kultur noch fördern?
Vor allem in der Romandie hat ein Referat von Pius Knüsel die Wellen hoch schlagen lassen. Beim Forum für Kultur und Ökonomie stellte er öffentlich laut die Frage, ob die Kulturföderung, wie wir sie heute haben, zu einer satturierten Konsenskultur geführt hat, die kaum mehr Besonderes, dafür aber immer mehr langweiliges Mittelmass hervorbringt.
Bedenklich ist, dass diese Behauptungen vom Direktor des grössten Kulturförderers der Schweiz aufgestellt werden, während im Parlament über eine nationale Kulturgesetzgebung nachgedacht wird. Als Information über die Diskussion habe ich einige Links zusammengestellt:
Das Referat von Pius Knüsel kann über diesen Link abgerufen werden:
hier
Eine Antwort schreib Roman Bucheli heute in der NZZ:
hier
Diverse Artikel dazu finden sich auch in LE TEMPS:
hier
Roman Bucheli verweist auf einen Artikel von Hanno Rauterberg in der aktuellen Ausgabe von DIE ZEIT über den Kunstboom der deutschen Kunst:
Kunstboom
Das Naserümpfen über Kultur, die nicht gut genug ist, aber trotzdem gefördert wird, erinnert mich in der von Knüsel dargelegten Art und Weise an das alte Sprichwort meiner Grossmutter: "Wenn die Maus voll ist, ist das Mehl bitter." Denn der Grundton des überfeinerten Feinschmeckers, dem nichts wirklich gut genug ist, schwingt unterschwellig mit.
Und doch muss ich Knüsel in manchen Punkten recht geben. Die Qualitätsstandards der Kunst haben sich verloren im unübersichtlichen System "Kunstbetrieb" und sind so vage geworden, dass es schwierig ist den Überblick zu behalten. Kunstkritik ist so gut wie nicht mehr existent oder verzichtet bewusst auf Wertung - auch dies ist ein Zustand, der bedauerlich und angenehm zugleich ist. Nur bringt es nichts, das der Kunst negativ auszulegen. Was Kunst ist, was Standards für Kunst sind, was Qualität von künstlerlischen Arbeiten ausmachen, das sind Fragen, die in allererster Linie uns Kunstschaffende selber betreffen, denn letztendlich sind wir es die diese bestimmen müssen.
Wenn wir es nicht tun, wird das von Anderen übernommen, die nur zu gern das offene Feld für Selbstdarstellungen nutzen. Wer, wenn nicht wir Künstler, weiss, was gute Kunst ist und wie man sie macht? Und, ganz wichtig: Wer, wenn nicht wir Künstler, kann auch in seinem eigenen Atelier über seine eigenen Arbeit und über die Qualität der eigenen Arbeit entscheiden?
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12 comments:
Viele Kunstschaffende haben sich seit Jahrzehnten
der verwaltungsmässigen Instrumentalierung
ihres Schaffens, innheralb des bestehenden Kulturvermittlungssystems, unterordnet.
Sie ducken sich vor Kuratoren,- Verbands- fachguilden und Anerkennungsverleihern.
Kunst wird dadurch zur langweiligen, ambivalenten Beliebigkeit und zu köstlichen Leckerbissenproduk-
tion für das monetäre Establishment.
Elias Wundersam
www.kuenstlerarchiv.ch|herbertkopainig
Allerdings gibt es ohne das monetäre Establishment keine Kunst!
Die Renaissance hätte ihre Entwicklungen vertagen müssen, wenn die Medici nicht mit ihrem Geld angefangen hätten die Kultur zu unterstützen. Das Barock ist nicht denkbar ohne die zahlungskräftigen Fürsten und Könige, die die Kunst als Wirtschaftszweig ankurbeln und sich selbst an den Rand des Ruins bringen.
Das proletarische Element in der Kunst ist eine Utopie, die für eine sehr kurze Zeitspanne im letzten Jahrhundert in Russland funktioniert hatte - bis Stalin kam und die proletarische denkerische Freiheit durch Ideologie endgültig ersetzt hat.
Dass Kunst aus Mangel entstehen muss, dass der arme leidende Künstler um Anerkennung kämpfen muss, dass es das Leiden an der Welt ist, dass gute Kunst schafft - dies sind alles Ideen aus dem 19. Jh., romantische Ideale, die van Gogh exemplarisch vorgelebt hat.
Und das Leben von van Gogh zu kopieren ist ja schliesslich auch nichts anderes als ein epigonäres Verhalten und damit langweilig und amibivalent...
nicht zu schnell daneben schiessen !
Wir kümmern uns um die Zukunft, nicht in Utopien, sondern in klaren Gedanken und Erkenntnissen über den Zusammenhang der Evolution von Mensch,Natur,
Erde ! Nicht an Leitbildern der Beherrschung aus grauer Vorzeit, sondern an keimkräftigen Ideen, die die Welt verbessern....warum haben denn die Künstler eine solche Angst vor Weltverbesserungs-
Aktivitäten, die NORM sagt, dass sie es müssen :
"Habt Angst !
Sich Gedanken machen z.B. über eine andere Funktion des Geldes, wie schon Beuys sagte :
KUNST=KAPITAL...das aber müsste man dann aber schon korrekt interpretieren....im Sinne von "Fähigkeit", die sich in jedem Berufsfeld zu KUNST
entwickeln könnte, wenn wir nur den Geldbegriff
richtig ansetzen würden !!
WUNDERSAM lässt grüssen
Zum Welt retten haben wir James Bond. Für einen Künstler ist diese Aufgabe grundsätzlich zu gross.
Was wir als Künstler erreichen können ist dafür eher sehr bescheiden, denn es dauert mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte bis sich solche Ideen durchsetzen können.
Und dafür brauchen wir Utopien, die wir gleichzeitig als das betrachten müssen, was sie sind: Utopien.
So kann ich dazu nur sagen: siehe oben:
Hausaufgaben machen als Künstler...
Ja, die Künstler als Pausen-Narren beim herumspielen mit Utopien ! Gut so, wenn sie sich
nur brav Austoben auf den fein präparierten
Spielwiesen des Kunstbetriebs....dann tun sie
eben nichts Dümmeres, als die vom Lehrer aufgetragenen Hausaufgaben machen...
Elias Wundersam
Ich finde einfach die Vorstellung, dass ein Künstler eine messianische Aufgabe hat, grundsätzlich schwierig.
Ein Künstler ist kein besserer Mensch.
Wenn ich das verlange, dann mache ich aus Menschen höhere Wesen.
Und Utopien darf man durchaus entwickeln. Die Umsetzung beginnt aber immer im kleinen Umfeld. Ansonsten entwickelt sich sehr schnell Fanatismus...
Da bin ich ganz einverstanden, aber warum redest du so ausführlich-wiederholend über den von dir befürchteten Messianismus, der immer überall lauert ?
Hast du einfach grundsätzlich ein problem mit spirituellen Ideen, das aber wäre dann dein eigenes problem. Die Paranoia vor esoterischen Vorstellungen umkreist heute viele Zeitgenossen, das ist ein Zeitphänomen, das in den Sackgassen der materialistischen Weltanschaulichkeit, die überwunden werden will, urständet.
Der Kapitalismus und die materialistische Gesinnung sind auch weitverbreitete Fanatismen, die zurzeit noch verhängnisvollere Auswirkungen tätigen, als die esoterisch-abgehobenen Herden-Konzepte, die überall sektiererisch aus dem Boden schlagend, vom kritischen Intellekt so bedrohlich erlebt werden.
Der tote Intellektualismus allerdings hat wiederum auch keine Zukunftschancen, denn er sklerotisiert zusehend in kritischen Feinbildern und egoiden
Selbstinszenierungen weil er in kritischen Denk- Gewohnheiten verfangen, die spirituellen Ideen der Wirklichkeit nicht finden kann.
Mit Kritik kann er da nicht hineinkommen... eher schon mit künstlerischem Handeln, das die materielle Wirklichkeit von einer seelisch-geistigen Dimension durchdrungen, erleben gelernt hat.
Umdenken und Umlernen ist angesagt
Elias Wundersam
Ich bin erklärter radikaler Konstruktivist - das fiele in diesem Falle wahrscheinlich unter falsch verstandenem Intellektualismus - ich nenne es: den möglichen Ausweg.
Und philosophische Ideen werden dann spannend, wenn man sie über die Jahrhunderte betrachtet, da kann ich auch meine Herkunft aus Philosophie und Literatur nicht verleugnen.
Esoterik und Spiritualität verdeckt vieles mit einer verklärenden Vernebelung, was sich rational betrachtet als seltsame Konstruktionen für Selbstschutz, Wahrung von Bestitzständen oder Schutz für die Psyche
herausstellt.
Somit fühle ich mich in rationalen Betrachtungen wohler, als in spirituellen, denn es lassen sich einfacher Spreu von Weizen trennen.
Und grundsätzlich übe ich nicht Kritik, sondern argumentiere mit Überlegungen, die sich erfüllt haben oder nicht. Die rationale Argumentation ist so aber an sich schon ein Angriff auf spirituelle Ideen, wenn sich diese nicht bewähren können.
Ja,der tapfere Verstand fordert die spirituellen Ideen auf, sich zu bewähren ! er möchte sie in sein konstruiertes Gedankenstüblein hereinzwingen...
dafür ist es aber zunächst einmal viel zu klein, da müsste er zuerst mal ein Fenster oder Türlein selbst-tätig öffnen. Aber er sagt überfleissig, wenn sie nicht hereinpassen wollen, dann gibt es sie auch nicht, BASTA !
Der verstorbene ostschweizer Schriftsteller Peter Morger hat einen treffenden Begriff für diesen hartnäckigen Schneiderlein-Verstand geprägt, er belegt die unermüdlichen Erbauer der nur ratio- konstruktivistischen Gefängnis-Stuben, einfach und treffend mit dem Wort : Ratioidioten.
Der künftige Künstler im Menschen wird es gerade sein, der über seinen eigenen Verstandes-Schatten springend, Zutritt erlangen wird zu den weit-gehend noch unerforschten metarationalen
Räumen, dieser unserer allgegenwärtigen sinnlichen Wirklichkeit der Erde !
Elias Wundersam
Und das Versuch "Spreu von Weizen zu trennen" ist SEHR wichtig --- sogar wenn erfolglos.
Danke Mark!
OK - wir haben uns da in eine uferlose Diskussion hineinbegeben, die nix bringt. Denn Glauben gegen Wissen ausspielen führt nur dazu, dass das eine System das andere ausschliesst.
Spiritistische Kunst ergeht sich gerne im Nebel des Unbewertbaren, weil sie sich durch die Verbindung mit dem Grossen Ganzen Kosmos und was auch immer, natürlich der Kritik enthebt. Vergessen wird dabei gerne, dass religiöse Kunst, die in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem Kult steht eine Funktion besitzt, im Unterschied dazu ist spiritistische, esoterische, new age oder was auch immer Kunst dieser allgemeinen Funktion enthoben und besitzt lediglich eine persönliche Bedeutung.
Rein rationale Kunst ist genauso bodenlos langweilig wie esoterische Ergüsse; was der einen an Emotionen fehlt und durch Wissen mit Bedeutung gefüllt werden muss, ist bei der anderen bedeutungsleer aber übervoll an Emotion. Beides ist unterträglich.
Ich stelle meine Gedanken hier zur Verfügung, um sie zu diskutieren, habe aber keine Lust mich mit solchen Angriffen herumschlagen zu müssen, denn ich muss mich nicht für etwas verteidigen, was ich nicht bin.
Ich hoffe, dass künftige Künstler etwas mehr Grips im Kopf haben und nicht nur verquaste NewAge Kunst oder langweilige Neokonzeptkunst zu produzieren.
Und ich hoffe vor allem eines, dass sie vor allem auch denken lernen, denn das ist es was grundsätzlich fehlt.
Spreu von Weizen zu trennen wäre dann auch die denkerische Fähigkeit spiritistisch von spirituell unterscheiden zu können.
Im übrigen denke ich dass Wissen und Glauben sich keineswegs gegenseitig ausschliessen müssen, dass du sie in unserem Gespräch als gegeneinander ausgespielt erlebt hast, zeigt dass du sie nicht als sich ergänzende Prinzipien, sondern als widersprüchliche Gegensätze erlebst. Werte meine Gedanken also nicht als persönlichen Angriff, eher als Hinweis auf eine mögliche Ueberbrückbarkeit des pro und contra, des ewigen Widerspiels der Antipoden, von deren Austragung
Herrschafts- und Machtsysteme leben. Wenn zwei sich streiten freut sich ein Dritter. Durch Krieg wird die Welt regiert...
Denken ist Erkenntnisfähigkeit, das Wahrnehmen der Welt . Glauben aber Liebesfähigkeit, Empathie, das Erfühlen der Welt !
Also nicht nur Grips im Kopf, auch Mut im Herzen
wünschen wir dem künstlerischen Weitergehen.
Elias Wundersam
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